Hickhack no more. Oder: Wählen wahre Sozialdemokraten Merkel?

Das SPD-Mitglied Björn Uhde hat in seinem Blogbeitrag “Zickzack No More” Sigmar Gabriel kritisiert und dabei für etwas Wirbel gesorgt.
Ich habe mich gefragt, was mir ein nach eigenem Bekunden überzeugter Sozialdemokrat, der Merkel wählen will und sich irrlichternd in Widersprüchen verheddert, eigentlich sagen will.
Hier meine Antwort:

Hallo Björn,

ich habe auch ein Problem: Deinen Beitrag „Zickzack no more“ hast Du auf einer Webseite namens „deinespd.de“ veröffentlicht und benutzt dort 26 Mal das Wort „ich“. Im ersten Absatz erklärst Du, dass in Deiner Facebookgruppe nur 8.200 Mitglieder sind (im Vergleich zu 460.000 SPD-Mitgliedern) und behauptest im nächsten Satz, dass sich dort „deutschlandweit die Basis trifft“. Du wirfst unserem Parteivorsitzenden vor, dass er sich selbst zu wichtig nimmt, und heute sehe ich, wie Du durch die SPD-Gruppen ziehst und Bilder von Zeitungsartikeln mit Deinem Foto postest.

Lieber Björn, am Anfang Deines Beitrags schreibst Du, dass die SPD kein „Abnickverein [ist], sondern eine lebendige Partei, in der gerne diskutiert wird.“ Und im gesamten übrigen Text stimmst Du ein Loblied auf die bedingungslose Verlässlichkeit an, forderst, dass Parteivorsitzender und Partei grundsätzlich dieselben Meinung haben müssen, und verurteilst Sigmar, weil er mit Pegida-Anhängern diskutiert hat.

In Deinem großen Rundumschlag, Björn, kritisierst Du Phrasendrescherei und sprichst von einem „durchweg linken, sozialen, dennoch realistischen und vernünftigen Programm“ und von einem „sozialen Europa“, einer „gerechten Besteuerung“.

Was will ich damit sagen? Dass Du nicht sagen sollst, was Dich stört? Nein.
Lieber Björn, ich werfe jetzt auch einen Euro ins Phrasenschwein und rufe Dir zu: Gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Lass mich Dir das erklären:

Du sprichst nicht für eine Mehrheit und schon gar nicht für die SPD. Sicherlich hast Du in letzten Tagen viel Zustimmung bekommen. Viele Leute werden Dir geschrieben haben, wie sehr Du ihnen aus der Seele sprichst. „Endlich sagt’s mal jemand!“ Aber gemessen an der Gesamtmitgliederzahl (nochmal: 460.000 Menschen!) sind das einfach gar nicht so viele. Auch wenn es sich anders anfühlt.
Abgesehen davon: Wer sind denn diese Leute, die Dir zustimmen? Wenn ich mir die Kommentare unter Deinem Beitrag anschaue, sind darunter überwältigend viele Menschen, deren Hass auf die SPD mit Sigmar Gabriel eigentlich nicht viel zu tun hat. Und Journalisten greifen Deinen Beitrag auf. Dabei fühlt man sich vermutlich toll, aber genau hier liegt auch der größte Schaden.
Der Presse ist egal, für wie viele Leute Du sprichst. Krawall und Remmidemmi macht sich immer gut, sie schreiben darüber und – zack – ist die SPD die bis aufs Blut zerstrittene Partei und Sigmar „Mr. Zickzack“. Das macht sehr viel kaputt und entspricht vor allem überhaupt nicht der Wirklichkeit.

Lieber Björn, Du bist unzufrieden. Pegida-Debatte, VDS und Sigmars Reaktion zum Greferendum findest Du doof. Sigmars Umgang mit TTIP findest Du gut. Hast Du Dir mal überlegt, dass es jede Menge Leute gibt, die es klasse fanden, dass Sigmar mit den Pegida-Demonstranten diskutiert hat, aber nur bei dem Namen TTIP schon Pickel kriegen? Weißt Du, dass es auch wahnsinnig viele SPD-Mitglieder gibt, die hinter der Vorratsdatenspeicherung stehen?

In der Politik gibt es kein Richtig und Falsch und in der SPD selten klare Mehrheiten. Nicht nur selten, sondern zuverlässig immer greifen daher Leute, die sich anmaßen für alle zu sprechen, ordentlich ins Klo.

Jetzt aber zum Entscheidenden: Was hat Dich geritten Sigmar als „Mr. Zickzack“ zu brandmarken?
Die Grünen wissen gerade nicht, ob sie Verbotspartei oder die neue FDP sein wollen, Horst Seehofer ändert sowieso im Minutentakt seine Meinung und Merkel hat inzwischen die Wehrpflicht und die Atomkraft abgeschafft und unseren Mindestlohn eingeführt. Wie kommst Du jetzt auf die Idee, dass Deutschland Sigmar Gabriel als „Mr. Zickzack“ sehen soll?
Natürlich macht man es sich mit so einem Vergleich einfach. Aber das Problem von Sigmar ist wirklich nicht, dass er seine Meinung zu oft ändert. Ich würde sogar so weit gehen, dass es sehr vielen Mitgliedern lieber wäre, er würde sie öfter ändern.

Mir geht es übrigens nicht so. Du schreibst: „Ich möchte niemanden als Kanzler haben, der seine Meinung im Gegensatz zu seiner Partei artikuliert.“ Dem will ich klar widersprechen. Und dem widersprichst übrigens auch Du, wenn Du von der SPD als „lebendigen Partei“ sprichst. Denn genauso wenig, wie die Partei ein Abnickverein ihres Vorsitzenden ist, ist der Vorsitzende ein Aufziehmännchen seiner Partei. Die Meinung, die sich durchsetzt, gewinnt. Punkt.

Dass Du in Erwägung ziehst, Merkel zu wählen – nicht wegen der Inhalte, sondern weil sie verlässlich ist – halte ich letztlich nur noch für peinlich. Ich könnte hoch ansetzen und sagen, dass das unwürdig für jedes Mitglied der Partei von Otto Wels ist. Ich messe Dich aber an Deinen eigenen Maßstäben und sage: Wer von anderen Mut, Weitsicht und klare Bekenntnisse verlangt und dann Merkel wählt – die unmutigste, unweitsichtigste und bekenntnisloseste Kanzlerin unserer Geschichte – den kann ich nicht ernst nehmen. Denn das ist wirklich Zickzack.

Es grüßt Dich

Robin Mesarosch


Edit:
P.S.: Ich finde es etwas schade, dass Du diesen Beitrag in Deiner 8.000-Leute-Facebookgruppe nicht freigibst, auf der Deine-SPD-Fanseite-löschst und Leute sperrst, die ihn posten. Sieht so Beteiligung für Dich aus?